Entkault
Die Tür der schwarzen Limousine schlägt dumpf ins Schloß. Tübingen, 19.30 Uhr, zwei Grad unter Null, die Straßen sind vereist. Man zählt den 8. Dezember 1966. Der untersetzte Mann, von dessen gelichtetem Haar die schwere Hornbrille ablenkt, wird von zwei jungen Männern, dem Aussehen nach Studenten, in eine Gaststätte geführt. Fast 800 Studenten sind in und außerhalb der Gaststätte versammelt, man hört empörte Rufe „diese reaktionären Schweine“ und Flüche über die herrschende Klasse sowie über die herrschende Kälte. Der gefürchtete Autor des Bonner Pitaval und Nebenkläger im Frankfurter Auschwitzprozeß, versucht sich einen Weg zu bahnen zum Rednerpult. Der Tumult verstärkt sich, Professor Friedrich Karl Kaul gibt auf. Die Studenten formieren sich: ein Demonstrationszug bewegt sich auf die neue Aula am GeschwisterScholl-Platz zu. Sprechchöre fordern den Rektor auf zu einer Stellungnahme. Er weigert sich. Das erhitzte politische Bewußtsein vermag die kalten Füße nicht mehr zu erwärmen und der Universitätsrat gibt keinen Grog aus. Bewegung tut not: die Studenten ziehen zum Haus des Rektors. Eine Delegation der Aufrührer dringt vor zu seiner Magnifizenz. Seine Magnifizenz zeigt sich fröstelnd und mutlos auf dem Balkon seines Hauses: „Man muß sich doch an die Vorschriften halten, meine Beamten, die wußten, wer Kaul war“. „Meine Verwaltung ist schließlich an Recht und Ordnung gebunden. Kaul ist kein Enzensberger, kein Grass und auch kein Augstein.“ Am nächsten Morgen kursieren Unterschriftslisten, die sich gegen politische Veranstaltungen auf dem Universitätsgelände der Genehmigung des Kultusministeriums bedürfen. Die Höchster Verbände zählen zu den Unterzeichnern. Dem „müden AStA setzt man die Pistole auf die Brust“. 2000 Unterschriften und eine neue Einladung an Kaul für Januar. Der müde AStA begreift, und will intervenieren, damit Kaul nicht im Januar wieder kalte Füße bekommt, und wie es heißt auch aus politischen Gründen. Man scheint in studentischen Kreisen zu der Auffassung gekommen zu sein, Redeund Meinungsfreiheit sei grundgesetzlich garantiert. Vo