Die Stimme Amerikas klingt schrill und hysterisch, ist von China die Rede. Nicht von Dules oder Goldwater stammt dieser Satz, sondern von Dean Rusk: „Die Nationalisten (auf Formosa) repräsentieren authentisch die Gesamtheit des chinesischen Volkes. Die chinesichen Kommunisten müssen gestürzt werden hre Regierung keinesfalls anerkannt, sondern vernichtet“. Herr Rusk sagt auch nicht Peking sondern Peiping (wie Barzel SBZ). Und Johnson spricht vom „Festlandchina“; eine Volksrepublik kennt er nicht. Amerikas Ulbricht heißt Mao. An Tschiang Kei-Schek, letztes Abfallprodukt einer verfehlten China-Politik, hängt sich die Hoffnung, das Reich der Mitte könnte für den Westen zurückgewonnen werden Die Ätiologie der amerikanischen China-Neurosen reicht weit zurück. Es ist eine Geschichte der tragischen Irrtümer, Fehleinschätzungen, Falschmeldungen und Illusionen. Felix Green ein in Amerika lebender englischer Journalist hat diese Geschichte rekonstruiert. Unzählige Agenturmeldungen, Presseberichte und offiziöse China-Memoranden wurden einer Inhaltsanalyse unterzogen. Das ausgewertete Materia gibt Einblick in einen Zusammenhang, an dem täglich Menschen sterben: zwischen falschem Bewußtsein und falscher Politik. Green seziert die Fäden, die heute Vietnam erdrosseln. Seine Studie über das amerikanische China-Stereotyp gehört unter die wenigen wirklich tauglichen Bücher zur Vorgeschichte des VietnamKrieges. Zum ersten Mal werden hier die rrationalen Quellen dieses auch für Amerikaner so unverständlichen Krieges freigelegt. Nach 30 Jahren anti-chinesischer Indoktrination hat sich das vage, von bewußter Unkenntnis, also Ignoranz entstellte China-Bild im Bewußtsein der Amerikaner zu einem mörderischen FeindBild verfestigt Möglicherweise markiert das Buch einen Wendepunkt in der amerikanischen Politik gegen China. Im Frühjahr finden Fulbrights Chinahearings statt, in der Öffentlichkeit nimmt das Interesse an einer objektiven Berichterstattung zu. Viele Zeitungen, von Greene der methodischen Lüge überführt, entrümpeln ihre Arsenale. Die Stereotype von den Hungerepidemien, vom Sklavenstaat mit seinen blauen Ameisen und vom bevorstehenden Zusammenbruch haben ausgedient. Neue sind im entstehen. (Eine Neuausgabe von Greens Buch wird sich mit der Berichterstattung über die Roten Garden befassen müssen.) Die Untersuchung umfaßt einen Zeitraum, der vom Boxeraufstand bis zur Explosion der ersten chinesischen Atombombe reicht. Am Detail belegt Green die Verhärtung der amerikanischen Politik und „Meinung“ gegen das revolutionäre China. Die Kitsch-Romane der Pearl S. Buck, von Hollywood für 20 Millionen Amerikaner auf die Leinwand abgeklatscht, verherrlichten noch das alte China, dessen Kultur den Mandarinen und dessen Geschäft den Amerikanern überlassen waren. Doch schon als das Lumpen- und Bauernproletariat zum ersten langen Marsch in die revolutionäre Zukunft aufbrachen, kehrte die kollektive ChinaIdylle der „Guten Erde“-Romantik ihre Intoleranz hervor. Das Freund-Bild kippte ins Feind-Bild um. Fortan trug für Amerika der Chinese die Fratze des Dr. Fu Man Chu. Nicht zufällig kam diese Serie im vergangenen Eskaations-Jahr wieder in die Kinos Green versucht den Bann des Stereotyps zu brechen, indem er demonstriert, wie es gemacht wird. Er zeigt, welchem Manipulierungsprozeß die Fakten unterworfen sind, bis sie der bloßen „Meinung“, die sie reproduzieren, kommensurabel erscheinen. Green ist ein unerbitticher, pedantischer, aber bei aller Akribie und Materialfülle ungewöhnlich unterhaltsamer Ideologie-Kritiker.

Übrigens: Das Buch steckt voller Anregungen für Deutschland-Politiker. Zum Beispiel auf Seite 390: „Bei der Genfer Konferenz im Jahre 1954 übersah Außenminister Dulles absichtlich Tschou En-Iais ausgestreckte Hand und wandte ihm den Rücken zu. 1962 hielt es Averell Harriman für geraten, nach Washington zu kabeln und sich die Erlaubnis geben zu lassen, dem chinesischen Außenminister Tschen Yi die Hand schütteln zu dürfen, obwohl sie schon seit Tagen gemeinsam am Konferenztisch gesessen hatten ..." H. F